Geschichten aus dem Zaubergarten

Der kleine Drache Ludowig

 

Vor wenigen Tagen hat ein Drachenjunge namens Ludowig
den Weg in den Zaubergarten gefunden.
Seinen Angaben zufolge dürfte er so um die 653 Jahre alt sein,
was für einen Drachen gerade so eben dem Drachenbabyalter entwachsen sei,
aber die genaue Umrechnung vom Drachenalter ins Menschenalter*
kenne sie nicht, sagt Häxli.

Sie ist so vernarrt in den kleinen Ludowig,
dass sie ihn auf den schönsten und grössten
aller Steine im Zaubergarten gesetzt hat.
Hauptsache weit genug weg vom Drachenfelsen, denn
die anderen Drachen würden ihn ächten und verjagen
oder schlimmstenfalls vom Felsen stossen.
Denn Ludowig ist kein edelblutiger Drache.


Wie Häxli in Erfahrung bringen konnte, hatte sich seine Mutter – eine junge, blaublütige Silberdrachendame namens Filipa von Drachenfels-
 seinerzeit in einen gutaussehenden französischen Gargouille, einen Habenichts und ziemlichen Filou, verguckt. Der wiederum, einer Romanze nicht abgeneigt, machte ihr galant den Hof. Filipa, vom Charme des Franzosen ganz hingerissen, vergass ihre Contenance und verlor ihre Jungfräulichkeit.

Aber Jacques’ Interesse an der Edelblutigen schwand bald, und so machte er sich auf zu neuen Ufern.
Filipa kehrte zurück zum Drachenfelsen
und mit ihr, wie sich später herausstellte, Ludowig.
In dessen Adern floss nun eben auch französisches Gargouilleblut,
und - zum allgemeinen Missfallen-sah er seinem Vater Jacques auch noch sehr ähnlich.

Nun war das zu jener Zeit natürlich eine Katastrophe für eine Drachendame, erst recht, wenn sie dazu noch blaublütig war. Denn natürlich war Filipa  längst schon einem noch blaublütigeren, dafür zahnlosen alten Drachen versprochen. Da dieser Herrscher über ausgedehnte Felsereien war, wollte man ihn natürlich nicht vergraulen. Und so hatte Filipas Familie von Drachenfels keinerlei Interesse am kleinen Ludowig.
Man liess ihn kurzer Hand zur Drachenklappe bringen,
und so landete er schliesslich im Zaubergarten.

 

Die traurige Filipa aber musste ihren alten Drachen heiraten, dem allerdings nur noch ein paar hundert Jahre vergönnt waren,
die er hauptsächlich im glühenden Kohlenbett verbrachte, um seine alten Glieder zu wärmen.
Nach seinem Tod schwor Filipa, nie mehr wieder zu heiraten, zumindest keinen alten Drachen mehr.
Und da sie keine Kohlen mehr sehen konnte, verliess sie die ausgedehnten Felsereien und zog um in einen modernen, magmabeheizten Vulkan.

 

Ab und zu jedoch besucht sie heimlich ihren Ludowig. Sie erzählt ihm von seinem Vater, was für ein starker Gargouille er gewesen sei, ein heldenhafter Wasserspeier und todesmutiger Torwächter.
Und bei jedem Besuch und mit jeder Erzählung wird Jacques noch ein bisschen mehr zum Helden.

 


*Die Recherche dieser Geschichte gestaltete sich äusserst schwierig und aufwändig, musste doch in verschiedenen Ländern und Lebenszeiten - Menschenzeit und Drachenzeit- nachgeforscht werden. Der geneigte Leser möge gnädig über Unstimmigkeiten in den Zeitformen hinwegsehen.

 

 

Habt Dank und seid häxlich gegrüsst.